272
alten Gesetze gegen die Hauptübel des Staates, gegen Gewalt
und Amtserschleichung, und ließ dieselben, zum Theil wenigstens,
streng vollziehen. Gegen Milo ließ er sofort den Proceß cin-
leiten und ihn, trotz Cicero's meisterhafter Vertheidigungsrede, mit
der Verbannung bestrafen. Um wenigstens den Schein republi-
kanischer Gesinnung zu retten, ernannte er für die letzten Mo-
nate des Jahres seinen neuen Schwiegervater D. Metellus
Scipio, zum Amtsgenossen und duldete bei wachsender Zer-
würfniß, daß Cäsar auch abwesend um das Cosulat werben dürfe.
Auch schickte er diesem von Zeit zu Zeit neue Legionen zu; er
selbst glaubte durch seine Anwesenheit in Rom den größeren
Vortheil zu haben. Seine Statthalterschaft in Spanien ließ er
sich noch auf fünf Jahre verlängern.
§. 64. Cäsar's Kriege in Gallien. (58—51).
Unterdessen hatte Cäsar durch die glänzeudsten Siege in
Gallien das Ansebn des Pompejus bereits zu überstralen begon-
nen. Gallien war damals von einer Menge kleiner unabhän-
giger Völker bewohnt, die sich fortwährend befehdeten und auch
gegen den gemeinsamen Feind sich nicht vereinigten. Hiedurch
wurde den Römern der Sieg erleichtert. Bisher hatten diese
durch Kriege im südlichen Gallien nur die sogenannte provinem
Uonmng, die heutige Provence, erworben, und waren mit den
Völkern im Innern des Landes nur wenig in Berührung ge-
kommen. Den erwünschten Anlaß zum Kriege gaben dem Cäsar
die Helvetier, welche im Jahre 58 nach dem östlichen Gallien
auswanderten, um sich bessere Wohnsitze zu suchen. Sie plün-
derten das Gebiet der Äduer und bedrohten selbst die römische
Provinz. Cäsar griff diese Horden bei Bibracte an der Saone
an, und theils vernichtete er sie, theils zwang er sie zur Rück-
kehr in ihr Land. Schon früher war Ariovist, der Anführer
germanischer Völkerschaften, über den Rhein in Gallien einge-
drungen; die Sequaner hatten ihn gegen ihre Feinde, die Äduer,
zu Hülfe gerufen. Als dieser aber nach Unterwerfung der Äduer
stets neue Scharen nach Gallien herüberzog und auch ein Theil
des Gebietes der Sequaner als Lohn in Besitz nahm; da such-
ten beide Völker bei Cäsar Schutz gegen die Deutschen. Dieser
trieb den Ariovist nach einem Siege bei Vesontio (Besançon)
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311
sagte, die Lorbeeren seien schön, aber unfruchtbar. Die Kriege,
die er durch seinen Schwiegersohn Agrippa und durch seine
Stiefsöhne oder Legaten führen ließ, hatten fast nur den Zweck,
die Grenzen des Reiches zu sichern und die Ruhe im Innern
aufrecht zu erhalten. So wurden im nördlichen Spanien die
noch unbezwungenen Cantabrer und Asturier nach hartnäcki-
gem Kriege von Agrippa völlig unterworfen (25 19). Gleich-
zeitig wurde auch das westliche Gallien, wo während der
römischen Bürgerkriege die Sehnsucht nach Freiheit von Neuem
erwacht war, bezwungen. Die Ostgrenze des Reiches ward
durch einen Feldzug gegen die Parther gesichert, deren König
Phraates auf die Nachricht von des Kaisers Ankunft tu Syrien
(20) die vom Heere des Crasfus erbeuteten Gefangenen und
Feldzeichen freiwillig zurückgab; ein Ereigniß, das von schmei-
chelnden Dichtern als ein glänzender Sieg besungen wurde. Um
Italien gegen die Einfälle germanischer Völker zu schützen, ließ
Augustus die Alpenvölker in Rätien, Vtndelicien und
Noricum bis zur Donau hin durch seine Stiefsöhne, Drusuö
und Tiberius, unterwerfen und die neuen Eroberungen durch
Anlage von Kolonien sichern (15 v. Ehr).
Weit größer und gefährlicher aber waren die Kriege gegen
die Germanen am Rhein. Durch Cäsar's Eroberung der
gallischen Provinzen bis an den Rhein waren die Römer Grenz-
nachbaren der gefürchteten Germanen geworden, die fortwährend
in ganzen Scharen über den Strom setzten und plündernd und
verheerend in Gallien einfielen. Die Nachbarschaft eines solchen
Volkes ward den Römern immer furchtbarer und verhaßter.
Deshalb beschloß Augustus, Land und Volk sich zu unterwerfen
und schickte seinen Stiefsohn Drusus mit einem großen Heere
dahin. Aber der Kampf mit diesem Volke war für die Römer
kein Spiel. Drusus unternahm vier Feldzüge in Deutschland,
vom Jahre 12 bis 9 vor Ehr. und drang sogar bis zur Elbe
vor; aber seine Züge waren keine Eroberungen. Die Ger-
manen wichen in ihre Wälder zurück, brachen dann aber plötz-
lich aus dem Dickicht wieder hervor und überfielen in unweg-
samen Gegenden die ermüdeten Feinde. So wurde schnell wie-
der erobert, was noch so eben war verloren worden. Das
wirksamste Mittel aber, welches Drusus zur Sicherung der
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Extrahierte Personennamen: Agrippa Agrippa Augustus Tiberius Augustus Drusus Drusus
312
römischen Provinz ergriff, war die Anlegung vieler festen
Schlösser längs den Ufern des Rheins. Er starb auf seinem
vierten Zuge in Deutschland an den Folgen eines Sturzes wom
Pferde. Er erhielt wegen seiner Siege in Germanien den
Namen „Germanicus", der auch auf seine Nachkommen über-
ging. Nach ihm setzte sein Bruder Tiberius und andere Feld-
Herrn diese Streifzüge fort, jedoch ohne weiter vorzudringen,
sondern nur, um den Besitz der errungenen Oberherrschaft zu
behaupten. Nebst der Gewalt gebrauchten sie auch Lift. Sie
brachten mehre Volkshäupter auf ihre Seite und streueten sorg-
fältig den Samen des Mißtrauens und der Zwietracht unter
die einzelnen Völker, um ihre Gesammtkraft zu trennen. Dann
suchten sie dieselben durch Einführung römischer Sitten und
Sprache und durch andere schleichende Künste nach und nach
an das römische Wesen zu gewöhnen, um sie auf solche Weise
sicherer in's Verderben zu führen,. Aber der letzte Versuch
scheiterte unter dem Consul Q u in c ti li u s V a r u s auf eine
schreckliche Weise.
Als dieser aus der Provinz Syrien, die er rein ausge-
plündert hatte y), im Jahre 9 nach Ehr. nach Deutschland kam
und hier den Oberbefehl führte; fand er zu seiner Verwunde-
rung Alles ruhig und glaubte daher, die Deutschen wie ein
völlig unterworfenes Volk behandeln zu können. Darum ver-
fuhr er ganz nach Willkür, drückte das gold- und silberarme
Volk durch harte Auflagen und empörte es durch übermüthige
Behandlung. Schon führte er das römische Gerichtswesen ein
und ließ durch einen Schwarm beredter Sachwalter die Strei-
tigkeiten der Deutschen nach römischer Weise entscheiden. Er
selbst saß, voll alten Römerstolzes, mitten in den ehemals freien
Wäldern zu Gericht.
Seine Lictoren trugen ihm Beile und Ruthen vor, als
Zeichen seines Rechts, körperliche Strafen, selbst den Tod zu
verhängen, wozu aber nach den Begriffen der Deutschen nur
die unsterblichen Götter ein Recht hatten. Mit innerer Erbitte-
rung sahen die Deutschen solche Neuerungen, mit jedem Tage
') Quam (Syriam) pauper divitem ingressus, dives pauperem re-
liquit. Vellej. Ii 117.
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Extrahierte Personennamen: Tiberius
Extrahierte Ortsnamen: Rheins Deutschland Germanien Syrien Deutschland
314
schlachtet; andere, denen das Leben geschenkt wurde, mußten jetzt
die niedrigsten Dienste verrichten. Mancher, der in Rom in
vollem Glanze gelebt und die ansehnlichsten Ämter verwaltet
hatte, ging jetzt als Hirt hinter den deutschen Heerden her.
Das härteste Loos aber traf die gefangenen Sachwalter. Einem
von diesen rissen sie in Wuth sogar die Zunge aus, unter dem
Zurufe: „Nun höre auf, zu zischen, Natter!"
Die Nachricht von dieser großen Niederlage verbreitete zu
Rom Furcht und Schrecken. Laut klagte der alte Kaiser in sei-
nem Palaste und rief ein Mal über das andere: „Varus, Va-
rus, gieb mir meine Legionen wieder!" Er gelobte seinem Ju-
piter große Feste, wenn er das Reich rette; denn allgemein
fürchtete man den Einbruch der deutschen Völker, wie in den
Zeiten der Cimbern und Teutonen. Schnell wurde ein neues
Heer ausgerüstet und unter dem Tiberius nach dem Rhein
geschickt. Zu seiner Verwunderung fand er aber hier Alles in
Ruhe; nur die Freiheit des Landes hatten die Deutschen ver-
theidigen wollen; und als dieses gelungen, waren sie wieder
heimgekehrt. Tiberius ging zwar über den Rhein und verwü-
stete die nächsten Gauen, kehrte aber eiligst zurück, als er von
dem Anzüge eines deutschen Heeres hörtet)
§. 74. Des Augustus Familie und Tod.
So glücklich Augustus während seiner langen Regierung
bis auf die Kriege mit den Deutschen war, so unglücklich war
er als Gatte und Vater. Seine dritte Gemahlin, die herrsch-
süchtige Li via, die er ihrem ersten Gatten, dem Tiberius Nero,
entführte, brachte nichts als Unheil in sein Haus, und mit Recht
kann man behaupten, daß der ruhmgekrönte Kaiser als Familien-
vater der unglücklichste Mann war, dem keine der Segnungen
zu Theil ward, die er durch seine Gesetze-über das Familien-
leben zu verbreiten suchte. Er hatte aus seiner ersten Ehe eine
Tochter Julia, die nacheinander mit dem Marcus Marcellus,
seiner Schwester Sohn, dann mit Agrippa, zuletzt mit seinem
2j Tiberius ließ seinem Bruder Drusuö aus dem Eichelsteine zu
Mainz (dessen Gründung dem Drusus zugeschrieben wird und wo er eine
Brücke bauen ließ) ein Denkmal setzen, das erst am Ende des siebenzehn-
ten Jahrhunderts von den Franzosen zerstört ward.
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Extrahierte Personennamen: Tiberius Tiberius Augustus Augustus Tiberius Julia Marcus_Marcellus Agrippa Tiberius Tiberius
319
unternahm Germanicus im Jahre 16 einen dritten Feldzug,
führte ein neues Heer von der Emsmündung herab an die We-
ser und siegte auf dem Felde bei Idistavisus (zwischen Min-
den und Vlotho). Ein zweites Treffen blieb unentschieden, jedoch
kehrte Germanicus zurück, ohne das Gewonnene zu behaupten,
und verlor durch Sturm einen großen Theil seiner Flotte. Er
wollte noch einen vierten Feldzug unternehmen, wurde aber von
dem eifersüchtigen Tiberius abgerufen; und nun kehrten die
Deutschen die Waffen gegen sich selbst. Die Cherusker unter
Hermann kämpften gegen die Markomannen unter Marbod. Letz-
terer floh zu den Römern und lebte achtzehn Jahre lang zu Ra-
venna von einem römischen Gnadengehalte, indeß Hermann nach
beendigtem Kriege von scheelsüchtigen Freunden hinterlistig ermor-
det wurde. Seine Thaten aber lebten in Liedern fort, und unser
Zeitalter setzte dem Befreier Deutschlands in dankbarer Erinne-
rung eine kolossale Statue auf dem Teutberge bei Detmold.
2. Casus Caligula (37—41). — Der junge Casus,
oder, wie er gewöhnlich hieß, Caligula d. i. Stiefelchen, weil er
schon als Kind im Lager mit kleinen Soldatenstiefeln gesehen
wurde, war der einzige noch übrige Sohn des allgemein verehr-
ten Germanicus. Ganz Rom und die Provinzen empfingen die
Nachricht von seiner Erhebung mit dem größten Jubel, und er
schien auch im Anfänge der allgemeinen Erwartung zu entspre-
chen. ' Er erklärte, daß er keine Klagen wegen Majestätsverbre-
chen mehr annehmen wolle; er schaffte einige Abgaben ab und
gab dem Volke die Wahlen und den Obrigkeiten die Macht zu-
rück. Nach achtmonatlicher Regierung erkrankte er schwer. Er
wurde zwar den Wünschen des Volkes wiedergegeben, allein die
Krankheit schien seinen Verstand zerrüttet zu haben; denn der
bis dahin so ehrenwerthe Regent wurde ein wahnsinniger Des-
pot, dessen ganzes folgendes Leben eine Reihe unsinniger und
grausamer Handlungen ist. Den Staatsschatz, welchen der haus-
hälterische Tiberius auf 2700 Millionen Sestertien (135 Mill.
Thaler) angehäuft hatte, brachte er bei der grenzenlosesten Ver-
schwendung in einem Jahre durch. Im Wahnsinne des Über-
muths hielt er sich selbst für einen Gott und verlangte göttliche
Verehrung. Allen Bildsäulen des Jupiter ließ er die Köpfe ab-
schlagen und sein eigenes Bild auf den Rumpf setzen. Er ahmte
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Extrahierte Personennamen: Germanicus Germanicus Tiberius Hermann Hermann Caligula Germanicus Tiberius
Extrahierte Ortsnamen: Vlotho Deutschlands Detmold Rom
327
solcher Herzensgute nannte das dankbare Volk „den Liebling
und die Wonne der Menschheit"^). Schade, daß seine Regie-
rung nur zwei Jahre die Römer beglückte.
Domitian (81 — 96), sein ungleicher Bruder und Nach-
folger, war wieder ein Ungeheuer in allen Lastern. So feige
und unkriegerisch er auch war, wollte er doch den Helden spielen.
Er unternahm deshalb einen Feldzug gegen die Katten im Hes-
sischen, wagte es aber nicht, sie anzugreifen, sondern zog unver-
richteter Sache wieder zurück. Um sich aber doch den Schein
zu geben, als seien sie von ihm überwunden, kaufte er in Gal-
lien große und starke Sklaven auf, ließ sie wie Deutsche kleiden,
ihnen das Haar blond färben, und führte sie nun als deut-
sche Gefangene im Triumphe in Rom ein. Gleich lächerlich
feierte er glänzende Triumphe über die Markomannen und Da-
tier, obgleich er ihnen durch einen jährlichen Tribut den Frieden
abgekauft hatte. Den Sieg eines seiner Legaten kündigte er mit
den stolzen Worten an: „Ich wollte, daß die Rasomanen nicht
mehr seien, und siehe! sie sind nicht mehr". Neidisch auf den
Ruhm Anderer, rief er seinen Feldherrn Jul. Agricola, der ihm
Brittanien eroberte, mitten aus seiner siegreichen Laufbahn nach
Rom zurück. Nach fünfzehnjähriger grausamer Regierung wurde
der „Herr und Gott" — so ließ er sich nennen — auf Anstif-
ten seines lasterhaften Weibes Domitia von den Dienern und
Genossen seiner Gräuelthaten ermordet und sein Andenken ver-
flucht.
tz. 78. Die goldene Feit von Rcrva bis Ml. Aurelius. (96—180.)
Nerva (96 - 98), ein alter Senator, wurde von den
Mördern Domitian's dem Senate vorgestellt, und von diesem,
wie auch von den Prätorianern als Kaiser anerkannt. Mit ihm
beginnt eine Reihe der edelsten Regenten, die zusammen 84
Jahre hindurch das römische Reich beglückten '). Unter ihnen
stare posset: Non oportere, ait, quem quam a sermone pri n-
cipis tristem discedere. Atque etiam recordatus quondam super
coenam, quod nihil cuiquam toto die praestitisset, memorabilem illam
meritoque laudatam vocem edidit: Amici, diem perdidi. Suet. Tit. 8.
3) Amor ac deliciae generis humani. Ib. 1. Vgl. Eutrop. Vii. 31.
l) Primum statiin beatissimi seculi ortu Nerva Caesar res o)im dis-
sociabiles miscuit, principatum ac libertatem. Tac. Agrie. 3.
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273
über den Rhein zurück und zeigte so seinen vorher sehr furcht-
samen Soldaten, daß nicht Marius allein die Barbaren besiegen
könne. Für den folgenden Winter blieb er mit seinem Heere im
Lande der Gallier stehen, die nun inne wurden, daß der Preis
seines Beistandes ihre Knechtschaft sei. Deshalb vereinigten sich
im Jahre 57 die Belgier, welche für das tapferste Volk
zwischen dem Rhein und den Pyrenäen galten, zu einer allge-
meinen Rüstung gegen das Vordringen der Römer. Allein Cä-
sar wußte durch List die Gesammtkraft zu trennen und dann die
Getrennten plötzlich zu überfallen und zu unterwerfen Mit
vorleuchtendem Heldenmuthe kämpften die Rer vier, welche
zwischen der Schelde und der Sambre wohnten; doch auch hier
bewährte sich die Überlegenheit der römischen Kriegeskunst. Cä-
sar überwinterte in Luca, wo auch die berühmte Zusammenkunft
des Pompejus und Crassus stattfand, wurde aber bald durch
neue Unruhen nach Gallien zurückgerufen. Hier hatten sich im
Jahre 56 die geriet er in der heutigen Betragne und die übri-
rigen Bewohner der nordwestlichen Küste empört. Allein auch
sie wurden, besonders durch einen unerwarteten Angriff des Dec.
Brutus von der See her, unterworfen, während die Aquita-
ner im südwestlichen Gallien durch P. Crassus, einen Sohn des
Triumvirs, unterjocht wurden. Hiemit war die Eroberung Gal-
liens bis auf wenige Stämme an der belgischen Küste und am
Fuße der Pyrenäen vollendet. Dagegen kamen neue Horden aus
dem benachbarten Germanien, die Usipeter und Tenchterer,
über den Niederrhein und fielen in Belgien ein. Cäsar jedoch
besiegte sie im Jahre 55 durch Waffenkunst und treubrüchige
Hinterlist, indem er vorher ihre zu ihm gekommenen Führer ver-
haftet hatte, und trieb sie über den Rhein zurück. Er selbst
setzte dann auf einer kunstvoll geschlagenen Brücke wahrscheinlich
in der Nähe von Bonn über den Strom und fiel in Deutschland
ein, kehrte aber doch schon nach achtzehn Tagen aus dem un-
heimlichen Lande zurück. In demselben Jahre machte er auch
einen Zug über das Meer nach Brittanien, weil auch von dort-
her Gallien häufig beunruhigt wurde. Das südliche Küsten-
gebiet wurde eben so schnell bewältigt alö geräumt. Im Jahre
‘) Divide et impera war ein alter Grundsatz der Römer.
Weiter, Geschichte der Römer.
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Extrahierte Personennamen: Marius Marius Brutus P._Crassus Cäsar
274
54 setzte er, nach Unterdrückung einer Meuterei der Trevirer,
zum zweiten Male nach Brittanien über; aber auch dieses Mal
ohne bleibenden Erfolg. Der hartnäckige Widerstand der britti-
schen Reiterei und die Empörung mehrer gallischen Völker, ins-
besondere der Eburonen unter ihrem Fürsten Ambiorir, be-
stimmten ihn zur Rückkehr. Im Jahre 53 ging er abermals
über den Rhein, um die Sueven zu züchtigen, welche den Tre-
virern zu Hülfe gezogen waren, kehrte jedoch bald wieder zurück,
da die Sueven sich in das Innere des Landes zurückgezogen
hatten. Ungeachtet der Erfolglosigkeit dieser beiden Züge nach
Germanien und Brittanien mußte schon die Kühnheit der Unter-
nehmungen einen ungewöhnlichen Glanz um einen Feldherrn ver-
breiten, der sein sieggewohntes Heer selbst in solche Länder führte,
die vor ihm kein Römer betreten hatte.
Durch die vielen Niederlagen war der Muth der Gallier
wohl gebeugt, aber noch nicht gebrochen; und im Jahre 52 er-
hob sich fast das ganze Volk zu. neuen Versuchen der Rettung
und Rache. Vercingetorir, ein Arverner, leitete mit Um-
sicht und Ausdauer den allgeineinen Aufstand. Als er in der
Festung Alesia von den Römern belagert wurde, zogen von allen
Seiten die Gallier zum Entsätze herbei und griffen, zu 250,000
Mann vereint, die römischen Verschanzungen an. Allein sie
wurden gänzlich geschlagen, und nun mußte sich auch Vercinge-
torir wegen Mangel au Lebensmitteln ergeben. Das war der
Todesstreich für die Unabhängigkeit Galliens. Die Versuche, welche
im folgenden Jahre 51 einzelne Völkerschaften noch für ihre
Freiheit wagten, waren nur ohnmächtig und blieben ohne Erfolg.
Durch schoneude Behandlung, Auszeichnung ihrer Großen und
Erhaltung ihrer Gesetze und Einrichtungen wußte Cäsar sein
Werk zu sichern und Gallien gänzlich zu beruhigen2).
Jetzt konnte der gefeierte Kriegesheld seine ganze Aufmerk-
samkeit auf die innern Angelegenheiten Rom's richten und thä-
tiger in dieselben eingreifen. Vor Allem lag ihm daran, den
Oberbefehl seines Heeres zu behalten, auf dessen Treue und Er-
gebenheit er für alle Fälle rechnen konnte. In Rom arbeiteten
2) Unum illud propositum habebat (Caesar), continere in amicitia
civitates, nulli spem aut causam dare armorum. Caes. b. G. Viii. 49.
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Extrahierte Personennamen: Cäsar Caesar
Extrahierte Ortsnamen: Rhein Germanien Galliens Gallien Rom
313
vermehrte sich die Zahl der Unzufriedenen. Da stand ein jun-
ger Fürst aus dem Cherusker-Volke am Harze als Retter
deutscher Freiheit auf. Es war Hermann, oder Arminius,
wie ihn die Römer nannten, des Fürsten Siegmar Sohn. Er
hatte früher, wie viele Deutsche, römische Kriegesdienste genom-
men und war sogar mit dem Bürgerrechte und der Ritterwürde
beschenkt worden. Doch nie neigte sich sein Sinn zu den Rö-
mern. Mit vermehrtem Hasse kehrte er von Rom, wo er die
Schwäche und Verworfenheit der stolzen Weltüberwinder kennen
gelernt hatte, in seine Heimath zurück. Hier sah er mit In-
grimm die Schmach seines Volkes und faßte den Entschluß, das-
selbe zu befreien. Seinem wohlüberlegten Plane folgte rasche
That. Um den Varus vom Rheine weg in das innere Deutsch-
land zu locken, meldete man ihm Aufstand und Kriegeslärm von
Völkern an der Weser. Die deutschen Volkshäupter, die Varus
sich geneigt glaubte, die aber schon längst für Hermann's kühnen
Plan gewonnen waren, riethen ihm, hinzuziehen und die Empö-
rung zu dämpfen. Sie selbst versprachen ihm, mit ihren Völ-
kern zu ihm zu stoßen, und beurlaubten sich. Der sorglose Va-
rus ging in alle Schlingen, welche ihm gelegt worden. Sofort
brach er mit drei Legionen dahin auf. Sein Weg führte durch
die Wildnisse des Teutoburger-Waldes (im Paderborn-
schenp Nirgends fand er gebahnten Weg, überall dichtverwach-
senes undurchdringliches Gehölz. Heftig herabströmender Regen,
schlüpfriger, sumpfiger Boden hemmte die Schritte seiner schwer
bewaffneten Krieger. Fürchterliche Stürme brauseten in den
Gipfeln der Bäume und vermehrten den Schrecken. Da verließ
Hermann den Hinterhalt, aus welchem er die Bewegungen der
Römer bisher beobachtet hatte. Auch die übrigen Fürsten lang-
ten mit ihren Völkern an, und Varus wurde von allen Seiten
umringt. Drei Tage und drei Nächte hindurch kämpfte der
Überlistete mit seinen vor Hunger und Ermattung erschöpften
Soldaten gegen Feind und Ungewitter an. Nirgends Hülfe,
nirgends Rettung! Da stürzte er sich aus Verzweiflung in sein
Schwert. Seinem Beispiele folgten mehre Unterbefehlshaber.
Nur wenige Römer entkamen, fast alle fielen als Opfer der Er-
bitterung eines freien, schwer gereizten Volkes. Von den Ge-
fangenen wurden mehre den vaterländischen Schutzgöttern ge-
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Extrahierte Personennamen: Hermann Siegmar_Sohn Varus Varus Hermann Varus
318
Nachfolger. Die Kinder des Sejanus, alle Anverwandte und
Freunde desselben wurden aufgesucht und erlitten ein gleiches
Schicksal. Ganz Rom war voll Schrecken und Trauer. Er
herrschte hierauf noch sechs Jahre und wurde immer grausamer
und blutdürstiger, bis endlich der neue Oberbefehlshaber der
Garde, Macro, die Welt von diesem Nichtswürdigen befreiete.
Er ließ, heißt es, den alten krank darniederliegenden Kaiser mit
aufgedrückten Kissen ersticken. Dreiundzwanzig Jahre-lang hatte
Rom die Geißel einer schrecklichen Tyrannei gefühlt. Jede Spur
einer republikanischen Verfassungsform wurde unter Tiberius
vertilgt. Er berief das Volk nicht mehr zusammen, ernannte
alle Staatsbeamte nach Willkür und gebrauchte den Senat fast
nur, um die von ihm Angeklagten richten zu lassen. Dagegen
wurde das Amt des Befehlshabers der Garde unter ihm schon
wichtig.
Während der Negierung des Tiberius wurde noch einmal
versucht, Deutschland zu unterjochen, und Germanicus unter-
nahm innerhalb der Jahre 14 bis 16 drei Feldzüge gegen das-
selbe. Auf dem ersten fiel er verwüstend in das Gebiet der
Marser ein, rückte dann in die Markung der Catten und Che-
rusker ein und nahm Hermann's Gemahlin, Thusnelda, gefan-
gen. Auf seinem zweiten Zuge gegen die Bructerer und Che-
rusker, welche gegen ihn aufstanden, kam er siegreich wieder bis
zur Wahlstatt des Varus. In düsterm Schweigen zog das Heer
nach dieser Stelle schaudervoller Erinnerung. Schon aus der
Ferne leuchteten die von Wind und Wetter gebleichten Gebeine
der Erschlagenen. Nackte Schädel stierten von den Baumstäm-
men herab. Noch standen die Altäre, auf welchen die Haupt-
leute der Römer geblutet. Germanicus ließ im sechsten Jahre
nach dem Unglückstage die Gebeine beerdigen und ein Todtenmal
errichten. Dann zog er racheschnaubend tiefer in das Land hin-
ein. Da aber kam Hermann abermals mit Sturmeseile aus
den Wäldern herangefiogen, und mit dem Rufe: „Ein zweiter
Varus und seine Legionen!" warf er sich mit Löwengrimm auf
den erschrockenen Feind. Bald wurden dessen Reihen durchbro-
chen, und nun eilte Alles voll Entsetzen nach dem Rhein zurück
und ruhete nicht eher, als bis der Strom mit seinen gewaltigen
Fluthen vor den nachsetzenden Deutschen schützte. Ungebeugt
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Extrahierte Personennamen: Tiberius Tiberius Germanicus Varus Hermann Varus
Extrahierte Ortsnamen: Rom Willkür Deutschland Marser Thusnelda Rhein